Das Ding mit dem Pseudonym

Pseudonyme haben einerseits einen geheimnisumwitterten Touch, aber sie können einen auch abzutauchen lassen oder sich einen Namen auszusuchen, den man schöner findet als den eigenen. Auch wenn die Entscheidung einfach scheint, ist es ganz praktisch, sich ein paar Gedanken darüber zu machen. Mit Erfahrungsbericht eines ›alten Hasen‹.

Jeanette LaGrande klingt deutlich besser als Kunigunde Hinterwimmer, zumindest auf dem Cover eines Buchs. Und noch mehr, wenn der Titel des Fünfhundertseitenschmökers Verloren in der Nullpunkt-Galaxis lauten würde. Pseudonyme haben aber noch mehr Aufgabem, als lediglich den eigenen Namen zu ersetzen, mit dem man als Autor nicht so glücklich ist.

Eine der Überlegungen – wohl die wichtigste – betrifft das Marketing. Selbst ertappe ich mich dabei, ausländische Autorennamen zu bevorzugen. Allerdings liegt es bei mir daran, als ich lieber exotische Geschichten lese als 08/15-Storys aus meinetwegen dem Ruhrpott. Oder Niederösterreich. Oder dem Kanton Solothurn. Ich persönlich mag mit der Geschichte auch gerne eintauchen in andere Länder, Gebräuche,eventuell Sichtweisen. Automatisch assoziiere ich damit eher einen englischen oder französischen Namen, vielleicht auch einen spanischen oder japanischen. Zwar komme ich beim Lesen genauso wie bei Reisen in die Ferne dahinter, dass letztendlich alle Menschen ähnliche Bedürfnisse und Probleme haben, nur – dann ist das Buch schon gekauft. So wie ein optisch ansprechendes Cover und ein animierender Titel, spielt auch der Autorenname eine Rolle beim Erster-Blick-Marketing. Andererseits sind solche unechte Autorennamen auch sehr schnell entlarvt. Steht vorne Brook Crawford drauf und schon der Klappentext verrät, dass es um einen Regiokrimi in Hildesheim geht, komme ich mir auf den Arm genommen vor. Warum nicht die echte Sabine Hagemann belassen? Das klingt echt und griffig. So, wie wir als Autoren ständig um Authentizität bei Figuren bemüht sind, sollten wir nicht auf einmal aus einer Laune heraus beim Autorennamen damit aufhören. Wenn es keinen triftigen Grund gibt, würde ich bei dem Bedürfnis nach einem anderen als dem eigenen Namen deshalb etwas Moderateres empfehlen. Nach dem Motto: ›Nicht überall, wo 00 draufsteht, ist auch James Bond drin.‹ Wenn du also einen Krimi oder auch eine Romanze schreibst, die in Deutschland handelt, warum dann nicht auch einen – zwar anderen, aber doch – deutschen Namen wählen, einen, der dir besser gefällt? Und noch etwas: Wenn du dir heute ein Pseudonym aussuchst, denke daran, dass due es nicht so mir nichts, dir nichts wechseln kannst, wenn es dir nicht mehr gefällt. Denn, hast du Erfolg, musst du den Namen wohl oder übel behalten. Auch aus Marketinggründen.

Ein triftiger Grund für ein Pseudonym ist, im näheren Umkreis nicht erkannt zu werden. Wir hatten im Verlag Orange Cursor eine Autorin, die sehr authentisch über ihr Boderline-Leben schrieb. Das Buch wurde der Bestseller des Verlags, denn es war eine sehr echte und hautnahe Geschichte. Dass sie sich für ein Pseudonym entschied, ist naheliegend, denn es wäre nicht vergnüglich, bei der Supermarktkassa hinter sich tuscheln zu hören: »Ach das ist doch die … Ich hab mir schon immer gedacht, dass bei der etwas nicht stimmt. Boderliner, ja, genauso ist sie auch.« Wir wissen, wie die Leute gerne sind.

Es kann aber auch ein banalerer Grund sein, er ähnelt dem vorigen. Zum Beispiel, wenn man Porno- oder Erotikromane schreibt. Denn was man dort schreibt, wird man – wenigstens theoretisch – kennen. Auch hier ist eine verhalten prustende Supermarkt-Kassenszene vielleicht nicht das Highlight des Tages.

Ein wieder wichtiger Grund für ein Pseudonym ist dann gegeben, wenn ein und derselbe Autor in sehr unterschiedlichen Genres schreibt. Leser suchen gerne bei Autoren nach Büchern, die dem ähneln, das sie gerade begeistert zu Ende gelesen haben. Die wunderschön-romantische Liebesgeschichte lässt sie nach Ähnlichem suchen. Wenn sie dann stattdessen auf Blutbad im Steigerwald treffen, ist das mehr als eine Enttäuschung. Es lässt den Leser auch an der Authetizität des Autors bei seinen anderen Geschichten zweifeln! In diesem Fall ist Vielfalt, auch wenn man sie bestens beherrscht, kein Bonus, sondern ein unangenehmer Minuspunkt. Mensch denkt, Jahrtausende dazu erzogen, gern in engen Geleisen. So ein Genremix unter demselben Namen kommt genauso schlecht wie ein Arzt, der pro Tag drei Schachteln Marlboro vernichtet und im Sprechzimmer ein Plakat zu einer Kampagne ›Rauchen schadet dir und macht dich unglücklich‹ hängen hat. So weit sind die wenigsten von uns, dass sie Message und Vermittler auseinanderhalten können. Und Leser sind nun einmal ganz normale Menschen, unter denen ich mich auch immer wieder ertappe.

Abschließend noch eine Überlegung, ein bisschen off topic, aber doch einen Gedanke wert, finde ich: Wenn man keinen der triftigen Gründe hat, unter Pseudonym zu schreiben, ist vielleicht die Frage interessant, warum man seinen Namen verbergen möchte. Namen sind keine Zufälle. Ich selbst wollte meinen Namen in meiner Kindheit gar nicht. Aber Name und man selbst sind eine Einheit und Verleugnen des Namens kann auch damit zu tun haben, dass man nicht zu sich selbst stehen mag. In dem Fall ist es vielleicht heilsam, sich mit dem Warum auseinanderzusetzen.

Und ganz abschließend – oder besser abrundend – wenn du ein Pseudonym nutzt, solltest du dir auch Gedanken zum Impressum machen. Denn du kannst dort keine Fantasieadresse angeben. In diesem Fall solltest du dich um einen Impressumservice umsehen. Wenn du Patchwork-Anwender bist, kannst du den Patchwork-Impressumservice kostenlos nutzen. Informationen dazu findest du hier auf der Seite im Fußbereich unter Impressumservice.

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Bei diesem Artikel darf ich mit Freude einen Gast-Zusatz mit hereinnehmen. D.W. Crusius ist Autor von politischen Kriminalromanen. Er schreibt seit 2006 und hat bereits 20 Romane veröffentlicht. Der neue Roman “Kaltgestellt” erscheint in drei Wochen. Es geht um ein aktuelles Thema – den internationalen Terror. Wen es interessiert, der kann ihn auf seiner Homepage besuchen: http://detlev-crusius.com. Hier seine Statements zum Thema Pseudonym:

Mit das bekannteste Pseudonym der Literaturgeschichte ist B. Traven, der 1926 sein erstes Buch – Das Totenschiff – veröffentlichte. Bis heute ist umstritten, wer sich hinter Traven versteckte. Im Internet gibt es ein Polizeifoto von ihm, dazu wurde ihm eine verdächtige Nähe zur kommunistischen Partei nachgesagt. Womit deutlich wird, weshalb er unter einem Pseudonym schrieb – er musste sich verstecken.

Ein weiterer bekannter Schriftsteller ist John le Carré, der unter diesem Namen veröffentlichte, weil er beim britischen Secret Service arbeitete, als sein erstes Buch herauskam. Das war – Der Spion, der aus der Kälte kam.

Ein aktueller Selfpublisher ist Norman Nekro. Wir haben uns über Jahre als Testleser ergänzt. Er war bis zu seinem Tode Herausgeber einer Zeitung und das wollte er von seiner Autorentätigkeit trennen. Stephen King schreibt unter mindestens zwei Identitäten, wobei die Richtungen ein wenig unterschiedlich sind, er bedient unterschiedliche Leserkreise. Vermutlich hat ihm der Verlag das Pseudonym verordnet.

Es gibt weitere Beispiele, aber diese sagen schon genug – man macht es, weil man sich verstecken will. Dazu kommen Annahmen und die (unbegründete) Hoffnung, dass ein englisch oder französisch klingender Name attraktiver klingt. Ferner soll der Name kurz sein, er soll geheimnisvoll klingen. Das mag alles stimmen, ein fremd klingender Name ist trotzdem keine Garantie für Erfolg. Poppy J. Anderson ist auch ein Pseudonym. Vor nicht langer Zeit war sie in einer Talkshow – und keiner erkannte sie, als sie ihren Namen nannte. Ob sie ihre großen Erfolge dem Pseudonym verdankt? Nicht ganz unwahrscheinlich.

Ich habe einige Jahre unter meinem realen Namen Detlev Crusius veröffentlicht. Dann brach mein Umsatz ein und ich wusste nicht warum. Ich sah mich um und überlegte, womit man als Selfpublisher am schnellsten Geld verdient – Erotik. Also schrieb ich als Eddy Zack und hatte tatsächlich mit den ersten Büchern als Eddy viel Erfolg. Das mag daran gelegen haben, dass man mir die Themen als Crusius nicht abgenommen hätte.

Inzwischen bin ich D.W. Crusius. Ob das gut ist, wird sich zeigen, es gibt den Namen erst seit einem Jahr. Er ist ja auch nur ein bisschen pseudonymisch. Heute gebe ich in jedem Buch drei Namen mit – Detlev Crusius, Eddy Zack und D.W. Crusius. Technisch ist das kein Problem.

Es gibt einige grundsätzliche Fallstricke. Zunächst mal rein technisch – eine Änderung bei Print nachträglich heißt neue ISBN. Die bekommt man bei Amazon kostenlos, aber es gibt dann zwei Printausgaben im Netz, weil Amazon davon ausgeht, dass alte Bücher als gebraucht verkauft werden. Die zwei Ausgaben stehen auch bei Google!

Für EBooks braucht man bei Amazon keine ISBN, bei Tolino und den dahinter hängenden Plattformen bekommt man sie kostenlos. Bei Amazon und Tolino kann man unter einem User unterschiedliche Pseudonyme verwenden, man kann auch Pseudonym und den Klarnamen als Herausgeber angeben. Die monatlichen Überweisungen kommen trotzdem auf einem Bankkonto an. Mir ist kein Fall bekannt, wo Amazon oder eine andere Plattform den Klarnamen preisgegeben hätte, sofern keine kriminellen Handlungen vorlagen.

Der wichtigste Punkt ist der Leser. Akzeptiert er das Pseudonym? Hat man einen Wechsel vorgenommen, heißt nicht mehr AAA, sondern plötzlich BBB – findet der Leser den Wunschautor noch? Der oben genannte Norman Nekro kling sehr exotisch, ist trotzdem einprägsam. Er hat auch – sagen wir mal – schwarze Literatur geschrieben, seine Themen kreisen beinahe alle um den Vatikan.

Deshalb – und das ist ganz wichtig – wenn Pseudonym, dann soll man sich den Namen sehr genau überlegen. Ein Wechsel nachträglich ist problematisch!

Ich hoffe, mit diesem Artikel ein paar Infos zum Thema Pseudonym vs. Klarnamen geben zu können und danke Detlev herzlich für seinen Gastbeitrag.

Viel Erfolg, mit oder ohne Pseudonym!

Bildnachweis: pixabay, kellepics

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