Wer lässt sich gerne bevormunden? Vielleicht zwischendurch ein wenig Verantwortung abgeben, ja. Eventuell auch noch, was man zu arbeiten hat als Mitarbeiter. Aber gesagt zu bekommen, was man zu fühlen hat, welche Bilder vor dem inneren Auge erstehen sollen? Nein, ich glaube nicht, dass das jemand will. Ich selbst möchte das schon gerne selbst bestimmen.
Gerade eben habe ich ein Buch fertiggehört. Ich denke, beim Hören fallen einem handwerkliche Schnitzer noch viel mehr auf, als wenn man ein Buch liest. Es ist eine geniale Geschichte von einer recht bekannten Autorin, die unter ein paar Pseudonymen schreibt. Toller Plot. Ausgezeichnet modellierte Figuren. Reiche Wortwahl. Gefühlsecht rübergebracht. Aber eben genau hier leider, leider immer wieder Dissonanzen durch – ich sag einmal dazu: Gängelworte.
Diese Gängelworte – oder -phrasen – sind natürlich einerseits Adjektive, wie könnte es auch anders sein. Aber noch viel unangenehmer sind mir die verschiedenen Arten aufgefallen, mit denen beschrieben wurde, wie jemand gerade sprach. Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass es keine so schlechte Idee wäre, einfach nur ›sagte‹ oder ›fragte‹ zu verwenden, maximal Synonyme zu ›sagen‹. Also flüstern, schreien, jauchzen, murmeln und so weiter.
Selbst geübte Autoren lassen sich aber immer wieder dazu hinreißen, sich außerhalb dieser Synonyme zu bedienen. Als keine großen Sünden werden offenbar Wörter gesehen wie drängen, zurückrudern, bestätigen, auffordern, insistieren (schrecklich, und wenn, warum geht das nicht auf Deutsch?), abwiegeln, beteuern, mahnen, unterstreichen, bekräftigen, überreden, vervollständigen, drängen, behaupten und was da noch so kreucht und fleucht.
Ich vermute, dass bei geübteren Autoren dabei die Pferde durchgehen, wenn sie sich im Rausch des ›treffenden Wortes‹ befinden. Möglichst vielfältig, keine Wiederholungen. ›Keine Wiederholungen‹ wäre übrigens ein eigenes Thema, denn dabei schüttet man auch leicht das Kind mit dem Bad aus. ›Sagen‹ ist auf jeden Fall kein Wort, das in diese angeblich elegante Empfehlung fällt.
Dort, wo ich damals las, dass man durchaus auch immer nur ›sagen‹ schreiben könnte, wurde erklärt, dass in diesem konkreten Fall dieses Wort nicht wirklich vom Leser wahrgenommen wird. Es wird nicht als Doppelung oder Einfallslosigkeit wahrgenommen, sondern lediglich als Zeiger auf den Sprecher. Wie oft und wann man ›sagte er/sie‹ überhaupt anwendet, gehört jetzt auch nicht hierher.
Ich habe mich gefragt, warum mir diese Gängelworte so unangenehm auffallen. Zum einen, wie es in der Überschrift steht, durch den Bevormundungsfaktor. Jedes Mal fühle ich mich für dumm verkauft, denn ich kann sehr wohl erkennen, dass die gerade sprechende Person etwas bestätigt, den anderen überredet oder ihn zu etwas auffordert. Ich bin schließlich nicht schwer von Begriff. Aber es geht noch eine Stufe weiter. Oft fiel mir nämlich auf, dass durch diese Gängelworte Dissonanzen zum Gesagten auftraten.
Wenn man etwas nachdenkt, ist das sogar ziemlich wahrscheinlich. Warum? Wir haben es mit zwei Teilen zu tun: einerseits mit dem Gesagten des Sprechers, andererseits mit dem Inquit – so sagt man zu diesen ›sagte er‹, ›flüsterte er‹. Beide Teile ergeben ein bestimmtes Bild, eine bestimmte Atmosphäre. Wenn die beiden nicht wirklich deckungsgleich sind, haben wir schon einen Misston. Wer ein Ohr dafür hat, der leidet darunter genauso wie ein Musiker bei der falschen Klaviertaste.
Dass Adjektive gefährlich sind, ist ein alter Autorenhut. Sie sind aber nur gefährlich, haben also auch einen gewissen Reiz; sie sind nicht tödlich. Passend eingesetzt sind sie genial, wie ein exotisches, gut gewähltes Gewürz. Vielleicht sollte man sich den Zusammenhang Adjektiv – Gewürz merken. Sie können wie Schaumkrönchen auf den Wellen glitzern und den Worten ein ganz eigenes Feuer verleihen – in Maßen. Auch hier, finde ich, passt der Spruch: Willst du gelten, mach dich selten.
Zugegeben, es ist bei Adjektiven nicht einfach, das richtige Maß zu finden und man sollte sich die Mühe nehemen, beim Überarbeiten genau hinzuhören, konzentriert und bewusst. Bei Inquits meine große Bitte an jeden Autor: Habt Erbarmen mit euren Musikerkolleginnen und -kollegen und vermeidet Dissonanzen, indem ihr eure Protagonisten einfach nur sagen, fragen, flüstern lasst – danke!