Warum werden Bücher Bestseller?

Ein mutiges Unterfangen, über diesen Stein der Weisen zu schreiben, den noch niemand gefunden hat? Ich tu’s trotzdem einmal, denn ich glaube, dass es durchaus Gründe gibt, warum Bücher zu Bestsellern werden, mal abgesehen vom Marketing.

Der Frust von Autoren, die sich redlich bemühen, Bücher nach allen Regeln des Handwerks zu schreiben und die in Bücher zum Selbstlesen, Ratgeber, Ausbildung, Lektorat und Cover investieren, aber trotzdem nicht ansatzweise davon leben können, schneidet mir jedes Mal ins Herz. Denn ich kann das so gut nachvollziehen. Was nützen sogar ein paar tolle Rezensionen von Unbekannten, also nicht Freunden, wenn sich das Buch trotzdem nicht verkauft?

Die resignierte Antwort lautet entweder ›Zufall‹ oder ›Glück‹ oder ›Marketing‹. Von diesen drei Optionen bin ich beim Marketing dabei. Nicht bei Zufall und Glück. Denn Zufälle gibt es keine – keine Glaubenssache, sondern Logik. Okay, wenn es also keine Zufälle gibt – und Glück ist ja auch nichts anderes – wie funktioniert die Sache dann?

Die Antwort scheint auf den ersten Blick so banal, dass du lachen wirst und sagen: ›na klar, was denn sonst!‹ Aber lass uns das einfach mal näher ansehen. Ach ja, die Antwort: Bedürfnis.

Menschen sind zu 100% bedürfnisgesteuert, bewusst und unbewusst, physisch und psychisch. Alle Ziele, die wir erreichen und nicht erreichen, erzielen wir über Bedürfnisse oder Bedürfnisse verhindern es. Wenn das Bedürfnis, Geld zu verdienen, größer als das Bedürfnis nach Entspannung und Rücksicht auf ein physisches und psychisches Gleichgewicht ist, werden wir sogar einigermaßen wohlhabend. Nur setzt da vorher meistens Resignation ein oder durch Übertreibung bedingte Krankheit oder Umstände vereiteln es. Nicht immer, aber meistens, doch das soll jetzt nicht das Thema sein. Bedürfnisse sind jedenfalls der Motor, der Beziehungen zusammenbringt und der Sprit, der sie wieder zerbrechen lässt. Bedürfnisse stehen hinter all unseren Handlungen. Bedürfnisse arbeiten allerdings meistens aus der Deckung des Unbewussten heraus, weswegen wir von ihnen selten etwas bewusst mitbekommen.

Was haben Bedürfnisse mit Büchern zu tun? Alles. So, wie wir letztendlich Beziehungen suchen, um eigene Defizite auszugleichen – sorry wegen der Desillusionierung – suchen wir auch Bücher für denselben Zweck. Ich glaube nicht, dass jemand einen Liebesroman deshalb liest, weil er oder sie es so spannend findet, wie zwei Menschen interagieren. Zum Liebesroman wird gegriffen, weil man sich genau diese schöne Liebe für sich selbst wünscht, in voller Harmonie, bis ans Ende aller Tage. Aber auch dahinter steckt noch einmal ein Bedürfnis: die Angst vor dem Alleinsein. Die ist das noch stärkere Bedürfnis, vielleicht das zentrale überhaupt.

Jetzt wird es mal kurz ein wenig philosophisch. Der Mensch ist eine Art Energietransformator. Er wandelt neutrale Energie um in die Qualität seiner emotionalen Absicht (ein Derivat dieser Gegebnehit ist übrigens die häufige Fordrung positiv zu denken, um damit hilfreiche Verknüpfungen zu bilden). So findet ein ständiger Fluss statt, bei dem man sich bildlich einen Menschen wie ein Prisma vorstellen kann. Weiß rein, Farbe raus. Nach einem der Grundnaturgesetze, dem Gesetz der Anziehung der Gleichart, schließen sich Energien mit gleicher Qualität zusammen. Auf diese Weise entstehen sogenannte morphogenetische Felder. Du kennst das auch, zum Beispiel aus dem Spruch ›es liegt in der Luft‹ oder einem guten oder unguten Gefühl ohne ersichtliche Ursache. Auch das Kokosnuss-Phänomen bei Affen – denen auf der einen Insel wurde das Knacken von Kokosnüssen gelehrt und die auf deranderen konnten es dann auch – ist durch so ein morphogenetisches Feld möglich und erklärbar. Oder dass zur gleichen Zeit an verchiedenen Orten dasselbe erfunden wurde. Es gibt also eine ganze Menge an ›Beweisen‹. Jeder Mensch hat so ein Feld, jede Gruppe wie Familie oder Arbeitskollegen, Dörfer, Regionen, Nationen und mit etwas Bemühen können wir die auch wahrnehmen. Aber auch Eigenschaften bilden ihre eigenen ›Energiezentralen‹. So gibt es morphogenetische Felder für Neid, Hass, Empathie, Freude und so weiter. Nebenbei interessant: auch für medizinische Diagnosen (eine denkenswerte Angelegenheit!). Sind solche Energiezentralen sehr groß, spricht man vom Hauptstrom, dem mainstream. Auch wieder einmal aufschlussreich, wie Sprache und Gegebenheiten zusammengehören.

Mit unseren Gedanken, Absichten und Handeln versorgen wir also unablässig diese Felder. Und wir stehen mit ihnen in Verbindung, da wir ja durch unsere Kraftumlenkung (weiß rein, Farbe raus) ständig damit in Resonanz bleiben.

Und jetzt zurück zu Büchern. Unsere Bedürfnisse drücken sich aus in Sehnsucht, diese zu erfüllen. Wenn wir also ›Liebeshunger‹ haben, werden wir dem Hunger einen Liebesroman vorwerfen. Steht unser Bedürfniskompass auf Abenteuer, dann wird es ein Krimi, Thriller oder Abenteuerroman. Wollen wir uns aus unserem Leben wegbeamen, dann sehen wir uns nach Fantasy um. Jetzt weiß ja jeder von uns, dass Bedürfnisbefriedigung stärker ist als Vernunft. Wäre das anders, gäbe es wohl kaum Raucher oder sonstige Süchtige.

Nun, glaube ich, haben wir die Prämissen beisammen, um aus ihnen Antworten zusammenzubauen.

1. Wieso wurde Shades of Grey ein Bestseller?

Welches Bedürfnis deckt das Buch ab? Ich denke, das sind gleich ein paar. Klar, eine Liebesgeschichte, aber ich denke, es ist subtiler.

Da spielt zum Beispiel das Prinzip des Unterwerfens und Unterworfenwerdens eine Rolle, ein archaisches Männlich-weiblich-Prinzip, das, so denke ich mal, in mehr Menschen rumort, als wir vielleicht annehmen. Ich finde, dass die Gender-Gleichmacherwelle an keinem hilfreichen Ort führt. Es gibt nun mal zwei gegenläufige Energien im gesamten Universum in allen Belangen. Es rächt sich, wenn man versucht, aus Yin und Yang die Luft herauszulassen, um ein graues Yain entstehen zu lassen. Sinnvoll hingegen wäre, beide in ein Gleichgewicht zu bringen, das heißt, beide Qualitäten aufzuwerten. Aber auch das ist eine andere Geschichte.

Das zweite große Motiv ist der Wunsch, jemandem zu helfen, ein besserer Mensch zu werden. Eine schöne Sache, in etwas gesteigertem Maß gern als Helfersyndrom bekannt. Der arme, traumatisierte Christian Grey wird von der unschuldigen Anastasia Steel geheilt und wird zum Lohn Milliardärin. Ja, wenn das kein Thema ist?

Schließlich ist die Geschichte nicht besonders anspruchsvoll, kann also wirklich von jedem verstanden werden, denn – Bestseller entstehen durch den Kauf von vielen und nicht gebildeten Lesern. Und abschließend ist es E.L. James gelungen, trotz der doch recht flachen Spannungskurve, immer an den richtigen Stellung einen Ministeigerung fallen zu lassen, die einen hoffen lässt. Und ja, ich habe mir alle drei Teile als Hörbuch gegeben, weil es mich interessiert hat.

Alles in allem ein Musterbeispiel für Bedürfnisbefriedigung zum richtigen Zeitpunkt.

2. Warum funktionieren manche Themen eine Zeitlang und dann nicht mehr?

Morphogenetische Felder speichern spezifische Energien, sie geben sie aber auch ab an den, der sich damit verbindet. Um bei Shades of Grey zu bleiben: Die Bedürfniszentralen besagter Themen – gleich mehrerer und das zu selben Zeit! – waren offenbar prall voll. Wer nun als Erster da hineinsticht, bekommt die volle Power ab. Und das interessanterweise ohne großes Marketing! Auch das sollte man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. So logisch es auch ist, so verblüffend ist es trotzdem. Damit fließt allerdings die Energie ab und wird schwächer. Also ist das Thema irgendwann durch und es tröpfelt nur noch. Das heißt aber nicht, dass es als solches nicht mehr aktuell wäre. Deshalb wiederholen sich diese Vorgänge, allerdings in größeren, schwerer beobachtbaren Intervallen und meist auch modifiziert. In den Siebzigern war es die sexuelle Revolution, neulich waren es die Schatten vom Grey.

3. Warum werden oft zum Beispiel handwerklich und sachlich nicht überzeugende Bücher Bestseller?

Das hatten wir bereits: Die Bedürfnisbefriedigung steht über der Vernunft. Der Stein des Anstoßes für diesen Artikel war dieses Posting aus der Facebookgruppe Autoren-Knowhow zu dem Roman Die Geschichte der Bienen der norwegischen Kinderbuch- und Drehbuchautorin Maja Lunde. Ein offensichtlich Imker hat sich dazu in einer lustig zu lesenden Rezension auch nicht sehr positiv geäußert. Ich habe in das Hörbuch hineingehört, kann mir also noch kein Urteil dazu erlauben (ich werde das hier nachtragen, wenn ich durch bin). Was ich aber bereits jetzt sagen kann ist: Es wundert mich nicht, dass das Buch ein Bestseller wurde. Bienensterben, Zukunftsangst, Kinder und das alles in einer – so vermute ich – dramatisch-romantischen Weise umgesetzt, sticht schon in recht heftige Blasen, wo sich was tut, würde ich sagen.

4. Quintessenz: Was kannst du tun, dass dein Buch ein Bestseller wird?

Einfache Antwort: Finde heraus, welche Bedürfnisfelder gerade stramm gefüllt, aber noch nicht angezapft sind und schreib dafür. Ha ha, das würde wohl jeder gern? Klar. Aber ich glaube, das geht bis zu einem gewissen Grad schon. Zwei Hilfen dazu: Wahrnehmung und Zu-Ende-Denken. Beides nicht gerade volkstümliche Gewohnheiten, aber ich will ja keine Antwort schuldig bleiben ;-) Näher darauf einzugehen würde hier ebenfalls den Rahmen so eines Artikels sprengen, so gerne ich auch mehr dazu sagen würde. Aber das interessiert (noch) zu wenige – die Blase ist noch nicht voll genug. Wer Interesse hat: wir können gerne darüber außerhalb weiterplaudern, zum Beispiel drüben im Forum.

Wenn dir das nicht gelingt – also das Blaseanstechen, nicht das Plaudern – was leider wahrscheinlich ist, dann gibt es nur die Möglichkeit, auszuloten, was Leser wollen und dann schnell zu sein, dass du auf den Zug aufspringst, solange er noch fährt. Wie? Auf Amazon schauen, was gelesen wird, wie es aussieht und es nachmachen, deine persönliche Markt- und Trendforschung zu betreiben.

Wenn du allerdings erwartest, dass das ein Erfolg wird, was dir am Herzen liegt, ohne die Leserbedürfnisse zu berücksichtigen, dann kann ich dir versichern, dass du wenig Erfolg haben wirst, denn die Blase der Gruppe, die die gleichen Bedürfnisse mit dir teilt, wird wahrscheinlich nicht so stark sein, dass sie dich ohne gewaltiges Marketing zum Erfolg zieht. Da kannst du noch so viel Handwerk lernen und schöne Plots erfinden, das wird dir nicht die Bohne helfen. Leider.

Ach ja, noch die Sache von wegen ›guter Literatur‹. Warum gibt es Werke, die fast nicht zu Lesen sind, vom Schachtelsatz bis zu seitenlangen Absätzen und siebenundvierzig Rückblendeebenen den Leser systematisch fertigmachen, aber von der Kritik hochgelobt werden und Preise gewinnen? Auch dahinter stecken Bedürfnisse. Diesmal alledings die weniger Kritiker, die an den Schaltstellen sitzen, wo die Wichtigkeit residiert. Und die Wichtigkeit hat die Macht und das Geld in Ewigkeit, Amen. Nix für mich.

Es würde mich freuen, wenn ich im Forum erfahren könnte, ob dich dieser Artikel frustriert, motiviert oder dir irgendetwas gebracht hat.

So oder so: viel Erfolg deinen Geschichten!

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