Gestern habe ich in der Facebook-Gruppe Autoren-Knowhow eine Umfrage gestartet. Denn mir kommt vor, als sprößen Trilo- und Mehrologien in letzter Zeit wie Pilze aus schwül-feuchten Spätsommerwaldboden. Und da kamen mir ein paar Gedanken zum Thema der langen Geschichten.
Abschied nehmen liegt uns Menschen nicht. Auch Leser und Autoren sind Menschen. Und doch ist das Ende jedes guten Buchs damit verbunden. Wir müssen das Erlebte zurücklassen und es hilft auch nicht, die Geschichte noch einmal zu lesen. Na gut, ein wenig vielleicht. Aber das erstmalige Mitbangen und Mitfreuen geht bestenfalls Jahre später wieder – gesegnet sind die mit keinem allzu guten Gedächtnis.
Abschied vermeiden wollen als Grund für lange Geschichten? Ich glaube schon. Gerade wenn ich an meinen letzten Roman Airpot Madrid zurückdenke, habe ich autorenseits diesen Abschied richtig hart miterlebt. Ich möchte sogar sagen, dass ich in ein Loch fiel, als ich mit der finalen Bearbeitung durch war und ein Gefühl aufkam, was ich jetzt noch schreiben sollte. Natürlich hat sich das Gefühl gelegt und ich bin an der nächsten Geschichte. Aber es war eindeutig Trauerarbeit. Das geht Autoren so und es geht Lesern so und es geht Kinobesuchern auch so.
Abschied.
Abschied tut weh und wir sind geübt darin, Schmerz zu vermeiden. Autoren können sich helfen, indem sie ihrer Geschichte eine Fortsetzung verpassen. Und Leser sind dankbar, dass der letzte Moment doch noch nicht gekommen ist. So ist beiden gedient, wir ziehen die Geschichten in die Länge und unsere Leser freuen sich gleichermaßen.
Aber ist das wirklich wahr?
Sind wir Menschen tatsächlich wie Bäume, die man einmal einpflanzt und die am selben Ort verweilen, bis sie irgendwann der Sturm entwurzelt und ihr Holz wieder zu Erde zerfällt? Nein, das sind wir nicht und wohl der berühmteste Aufruf zum Weiterziehen ist das Gedicht Stufen von Hermann Hesse (wer nachlesen möchte, hier einer von vielen Links im Netz). Anstatt wegen Veränderung zu jammern, sollten wir uns lieber darin üben. Also viel lesen :-)
Es gibt ja den Spruch, man solle beim Essen dann aufhören, wenn es am besten schmeckt. Der Zeitpunkt, an dem man satt ist, aber immer noch mühelos aufstehen kann ohne den Gürtel aufzumachen. Bei Büchern habe ich den gleichen Effekt bemerkt. Vor vielen Jahren war ich fasziniert von der Tintenwelt-Trilogie. Das sind drei ganz schöne Wälzer. Aber bei Band drei so ab der Miitte stellte sich ein Sättigungsgefühl ein und ich fragte mich, wann es wohl zu Ende wäre. Nur um zu erfahren, wie es ausginge, habe ich mich durch sicher die letzten 300 Seiten gequält.
So etwas hat einen ganz schlechten Seiteneffekt. Ein Buch soll der Leser mit einem Wow! zuklappen können! Egal, ob es gut oder schlimm ausgeht. Das Wow bleibt im Gedächtnis – das war ein tolles Buch! Bei Tintentod blieb mir lediglich ein Endlich-ist-es-Fertig hängen. Wodurch ich von Cornelia Funke seitdem nichts mehr gelesen habe, fällt mir eben auf. Nein, ich war und bin sogar von Fantasy gesättigt.
Ich glaube, ein Buch sollte unbedingt knackig aufhören, knapp hinter seinem Höhepunkt. Das Ende hinauszuziehen, sei es, weil man selbst nicht gehen möchte oder weil man noch gerne einen Band mehr an den Leser bringen will, ist keine Lösung. Man sollte sich nicht um den Abschied drücken, denn das geht genauso nach hinten los wie eine krampfhaft aufrechtgehaltene Beziehung, in der man sich nichts mehr zu sagen hat.