Warum Prologe nicht das Gelbe vom Ei sind …

… und was man stattdessen tun kann. Erwiesen ist, das mehr als die Hälfte aller Leser Prologe überspringen. So gut wie immer entstehen Prologe aus dem Bedürfnis des Autors, zuert einmal etwas zu erklären, bevor die Geschichte losgehen kann. Nur – was hilft das, wenn es keiner liest? Was also gibt es für Möglichkeiten, diese – scheinbare – Notwendigkeit zu umschiffen. Und welche Risiken und Nebenwirkungen gibt es noch zu Prologen – wenn sie denn wer liest?

Bevor wir uns dem konstruktiven Teil zuwenden kurz zu den Risiken und Nebenwirkungen von Prologen.

Wie gesagt entstehen sie beinahe immer aus dem Wunsch, den Leser fürsorglich in die neue Geschichtenumgebung einzuführen. Oder die Autorin denkt sich, das wäre immens wichtig, warum A so und B anders handeln und denken, das müsste man vorher unbedingt wissen. Das, ihr Lieben, ist leider Quatsch. Mal ganz direkt: Wenn dieser Gedanke aufkommt, dann hat die Geschichte eine Krankheit, die sie schwächt. Sie ist nicht stark genug, um von sich aus die paar Schritte zum Leser zu gehen und deshalb soll sie Medikamente oder einen Rollstuhl oder wenigsten Krücken bekommen? Nee, bitte zuerst gesund machen, dann geht das ganz von alleine. Gezielte Ausnahmen gibt es immer, aber die sind äußerst selten.

Meistens haben diese überflüssigen Prologe einen weiteren Haken: Man möchte gern möglichst viel Info auf wenig Platz unterbringen, was zwangsläufig zu einer Infohalde führt, wie sie trockener nicht sein kann. Es gibt einen Fachausdruck dafür: Infodump. Sollte also ein toleranter Leser sich doch an den Prolog wagen und trifft dann auf sowas, liegt die Sicherheit, dass er das Buch beiseitelegt irgendwoe bei hundert Prozent.

Man kann es drehen und wenden, wie man will – Prologe sind kein guter Einstieg für die kommende Leser-Buch-Beziehung. Und selbst dann, wenn er spannend ist, dann muss der Leser sich danach auf etwas komplett Neues einlassen. Zwei Mal der Aufwand, den Leser zu fesseln? Schon irgendwie unrationell, oder? Vielleicht noch etwas: Immer wieder höre ich für alles Mögliche das Argument: ›Ja, aber der oder die machen das auch so‹ und als überzeugensollende Referenz werden dann große Namen genannt, von Dostojewski bis Stephen King. Das ist aus zweierlei Gründen keine gute Idee: erstens ändern sich die Zeiten – wenn es Autorenoldies sind … ähm, sorry: Klassiker – und was damals galt, muss es heute absolut nicht mehr oder es ist ein Indiz für Nicht-selbst-denken-Wollen – wenn es zeitgenössische sind. Also bitte nicht – in eigenem Interesse.

Wenden wir uns nun dem interessanteren Punkt zu, und zwar wie wir das Problem der notwendigen Info anders handhaben können.

1. Ist die Info tatsächlich notwendig?

Ich denke, das ist sie meistens nämlich gar nicht. Nein, bitte schimpf nicht mit mir, ich weiß, dein Charakter ist extrem komplex und man muss vorher … Ja, ich weiß, das hab ich mir eh gedacht. Meine erste Frage dazu: Bis du sicher? Also nicht, dass er komplex ist, das glaube ich dir aufs Wort. Nein, dass man als Leser das wissen muss? Gleich jetzt, vorneweg? Du als Autor musst es natürlich möglichst gut verstehen. Aber macht nicht gerade diese schwebende Ungewissheit – die Suspenese – es aus, dass man als Leser wieder anfängt, Nägel zu kauen, wenn man schon geglaubt hat, es endlich hinter sich zu haben? Der Leser muss nicht alles wissen, denn damit würde es doch erst so richtig öd. Er soll es vielmehr gar noch nicht wissen.

Solltest du eine haben – und ich denke, viele von uns haben eine wenigstens zarte Ader an Sadismus – dann hast du jetzt die große Chance, sie voll auszuleben. Dein Partner wird es dir danken. Außer … okay, aber das ist eine andere Geschichte. Also nein, dreh den Spieß um. Lass den Leser an seiner Neugier leiden und treibe ihm Zwiebelschale um Zwiebelschale die Neugier als Tränen aus den Augen, nur blättchenweise enthüllend und schenke ihm das, was er sich wünscht: Aha-Erlebnisse!

2. Okay, es ist wichtig. Aber muss das sofort sein?

Beispiel: Dein Protagonist ist psychisch beeinträchtigt und verhält sich deshalb unüblich. Der Leser möchte dann wissen, was da los ist. Möglicherweise. Aber sogar da könnte es doch sein, dass weniger der Grund für das Verhalten der Figur interessant ist, weil der Schwerpunkt auf einer ganz anderen Message liegt. Aber okay, sagen wir, der Leser sollte es erfahren. Hier bieten sich mehrere Wege an.

Zum einen kann man die Informationen in Dialogen homöopathisch vermitteln. Mal hier ein Schnipsel in einem Gespräch, mal dort ein anderer. Das wird wohl die meistpraktizierte Strategie sein.

Es gibt aber auch andere Möglichkeiten, zum Beispiel die Rückblende. Uhh … gefährlich. Ein Prolog im Nachhinein. Wenn diese Rückblende nur eine einzige Szene in der Vergangenheit des Protagonisten abhandelt, dann würde ich davon absehen. Rückblenden haben nämlich den unangenehmen Nebeneffekt, den Leser aus der Geschichte zu reißen. Und dann gleich noch einmal, beim Zurückswitchen. Solo-Rückblenden sind also auch nicht so super.

Eine gangbare Variante wäre ein zweiter Erzählstrang. So etwas möchte ich bei dem Roman machen, der gerade im Ofen ist und vorgegart wird. Also noch im Prä-Schreib-Zustand. Beginnen wird die Geschichte in der Ich-Perspektive im Präsens. Ich mag das, hat beim letzten super geklappt. Und zwar an einer kritischen Stelle im Leben der Protagonistin, als sie etwa 35 Jahre alt ist. Nach einem ausführlichen Kapitel beginnt parallel ein zweiter Strang, da ist sie ganz klein. So wird etwa zehn Mal zwischen jetzt und früher geswitcht, wobei früher aufholt und dann, wenn sich die beiden Linien in der Gegenwart treffen, auf dem Level ist, den die Frau zu Beginn des Buches hat. Und damit ist Strang zwei aufgelöst. Und, voilà – wir haben beides. Wir lesen am Anfang, dass die Gute schon ein bisschen einen an der Waffel hat. Und wir erfahren parallel, wie es dazu kam. Und dann, wenn sich beide Linien treffen, so ab drei Viertel der Geschichte, dann geht es an die Auflösung des Themas der Protagonistin.

3. Er muss unbedingt sein!

Warum? Ach so, weil man sich sonst in der neuen Welt auf Terra Mü nicht auskennt, weil sie dort drei Augen haben, viel größer sind und Schuppen anstatt Haut?

Noch bin ich nicht überzeugt. Warum kannst du das nicht in deine Beschreibungen nebenbei einfließen lassen? Muss man vorher wissen? Na gut, dann lass doch einen Passagier des Raumschiffs, der dorthin unterwegs ist, einen Reiseführer zu Terra Mü lesen und ihn immer wieder erstaunt oder entsetzt den Kopf schütteln. Oder denk dir einen anderen Trick aus. Mach es dir doch nicht so leicht, dir fällt sicher etwas ein.

Die einzige passable Idee, die mir bis dato unterkam, war eben bei einer Fantasy-Geschichte eine Art Logbuch als Prolog, in dem untereinander in Stichworten die Daten standen, pro Info eine Zeile, vielleicht dreißig. Das war originell. Und nicht viel. Hab ich überlebt.

Also, sei vor allem kreativ und lass dir was Raffiniertes einfallen, du bist doch Autor und Herr über Wirklichkeit und Fantasie. Und dann erzähl mir von deinen Ideen, ich freu mich schon drauf!

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