Ist dir das schon einmal passiert? Voll Begeisterung beginnst du eine Geschichte und es flutscht nur so dahin. Bis Seite 50. Oder 100. Und dann geht einfach nichts mehr und du verstehst die Welt nicht mehr – der Anfang war doch so genial und die Idee erst recht. Was ist passiert?
Ich wage einmal zu behaupten, dass du keinen Plan gehabt hast. Und Plan heißt beim Schreiben Plot. Aber für diese Aussage einen ganzen Artikel anzupeilen wäre schon ein wenig dämlich. Denn vermutlich bist du darauf schon selbst gekommen.
Fakt ist jedenfalls momentan, dass dir die Weiterwanderung in deiner Geschichte so verwehrt zu sein scheint wie dem Wanderer der Weg, wenn er vor einem Szenarium wie im Bild rechts steht. Was kannst du für jetzt tun und für die Zukunft an Erkenntnissen gewinnen? Du bist nun halt einmal Bauchschreiber, und wenn du liest, wie Elizabeth George Geschichten und Figuren entwirft, bekommst du Atemnot. Bist du auf verlorenem Posten, nur weil du deine Geschichten nicht planen kannst und auch nicht willst? Ein bisschen vielleicht, aber nur so viel, dass es sich leicht wettmachen lässt.
Jeder Autor hat eine andere Herangehensweise. Es gibt Autoren, denen bereitet es große Freude, ihre Geschichten wie mit einem Baukasten zuerst zu planen, dann zu strukturieren, dann umzuplanen und erst dann, wenn das komplette Gerüst fertig ist, in eine Geschichte umzusetzen. Ist das die richtige Herangehensweise? Absolut. Aber nur dann, wenn sie einem auch liegt. Aber was macht dann der Freigeist, der keinen Bock auf Planung hat, weil glasklare Bilder seinen Kopf bevölkern und, verdammt nochmal, endlich rauswollen? Er setzt sich hin und schreibt. Wenn so ein Autor über seine Schaffensweise Bescheid weiß und damit umgehen kann, dann ist das prima und es gibt nichts weiter dazu zu sagen. Wärst du so einer, würdest du aber vermutlich diesen Artikel nicht lesen. Was macht der Freigeist – oder der, der glaubt, einer zu sein – und der nun feststeckt und nichts geht mehr?
Ganz einfach: plotten. Aber nicht im Ernst? Doch. Auch im Nachhinein geht das. Die oben erwähnten Genies, die alles im Kopf haben und es einfach nur rausschreiben müssen, haben eben alles im Kopf. Und in diesen fünf Buchstaben liegt der Unterschied. Alles bedeutet nämlich auch das Ende und die Entwicklung dorthin. Bedeutet das Gefälle, das der Protagonist überwinden muss, um ans Ziel zu kommen. Und genau das fehlt meistens, wenn man plötzlich im Schlamm stecken bleibt und vergebens nach Wegweisern Ausschau hält. Aber es ist gar nicht so schlimm, denn du kannst einen sanften Plot durchaus nachholen.
Such dir dafür ein Plotsystem aus, das deiner Geschichte entspricht. Dreiakter, maximal Fünfakter bei einer Kurzgeschichte, Heldenreise, Stephan-Waldscheidt-Dreiakter, Heldenreise, Schneeflockenmethode oder Sieben-Punkte-Methode bei etwas Längerem. Versuch, die Geschichte möglichst zu vergessen, sondern mach den Plot dazu, als ob du neu beginnen würdest. Beginne mit dem letzten Punkt, dann dem ersten. Damit hast du die Schere zwischen ist und Soll optimal vor Augen und zwar in ihrer vollen Dramatik. Dann schau dir den Mittelpunkt an. Und dann füll die übrig gebliebenen Stationen aus. In Patchwork hast du diese Vorgaben schon zu jedem der dort angebotenen sechs Systeme fix und fertig und brauchst bloß loszulegen.
Wenn du dann den Plot fertig hast, nimm wieder deine Geschichte zur Hand und beginne, abzugleichen. Du wirst sehen, dass du irgendwo auf der Strecke ins Trudeln geraten bist. Setze dort an und bringe frischen Schwung hinein und behalte bis zum Schluss deinen Plot im Augenwinkel. Du wirst sehen, dass du den karren aus dem Dreck bekommst.
Und beim nächsten mal mach es einfach vorher. Du brauchst kein riesig detailliertes Plangebäude, sondern lediglich diewichtigsten sieben bis 24 Punkte, je nach System der Wahl.
Einen Fehler zu machen, ist bekanntlich kein Fehler, im Gegenteil, denn er bringt einem neue Erkenntnisse. Nur ein weiteres Mal muss nicht unbedingt sein. Viel Spaß auf jeden Fall mit dieser und deiner nächsten Geschichte!
Ein Grund für die Blockade kann auch sein, dass man an einem bestimmten Punkt entdeckt, dass man an einem Angelpunkt angekommen ist und (noch) nicht weiß, mit welcher Stimme man weitererzählen will, welche Position der virtuelle Erzähler im Erzählraum einnimmt und wie man sprachlich zum Ausdruck bringt, was ich gerne “den sprachlichen Farbfilter” nenne: Stil und literarische Methoden.
Mir ging das so bei meinem aktuellen Projekt, ein Roman, der aus zwei Teilen besteht. Der erste Teil ist fertig(geschrieben) und ich fand bis dato keinen Einstieg in Teil 2. Es war keine Blockade, es war einfach so, dass ich nicht wusste, wie ich erzählen soll, was mir vorschwebt, und ich hate mich in einen falschen Zugang verbissen.
Da genügt es oft, zurückzutreten und sich selbst immer wieder zu fragen: Was will ich wirklich erzählen? Was ist mir wichtig? Warum schreibe ich diesen Roman?
Und manchmal macht es dann auf gut österreichisch einen Schnalzer (so wie bei mir) und die Tür geht sperrangelweit auf :-)
Liebe Grüße,
Peter
Hallo Peter,
im Prinzip ist das aber nichts anderes, als eine Variante, die mangels Plot zustande kommt, oder? Ich denke, wenn ich mir vorher zu einer Geschichte Gedanken über Ende und Anfang und die Punkte dazwischen gemacht habe, dann sollte selbst so eine Situation nicht auftreten.
All diese verwirrenden Möglichkeiten des Hängenbleibens kenne ich aus meinen ersten Geschichten gut. Mittlerweile bin ich mir aber sicher, dass sie mit bestehendem Konzept VOR dem Schreibbeginn nicht passiert wären.
Liebe Grüße
Martin