Schreibratgeben und Bestsellerforschen

Die meisten Autoren wühlen sich durch Schreibratgeber. Manche sind der Ansicht, dass dadurch Einheitsbrei herauskäme und sie sich nicht verbiegen lassen. Aber was lehren Ratgeber überhaupt, und stimmt das mit dem Einheitsbrei? Bringen Ratgeber und Untersuchungen von Bestsellern überhaupt etwas?

Jeder Mensch geht seinen ganz individuellen Weg.

Jeder Mensch hat seine ganz persönlichen Fähigkeiten.

Es gibt Autorentalente, die mit ihrem ersten Buch die Charts stürmen, die geborenen Bestsellerschreiber. Und es gibt uns viele Restliche. Worin liegt der Unterschied? Das zu erkennen habe ich lang gebraucht, denn es wird von Fachleuten ständig verschleiert. Logisch, denn man kann mit dem Handwerklehren Geld machen. Dabei ist die Lösung so einfach: Die wenigen geborenen Bestsellerschreiber beherrschen das Geschichtenerzählen, ohne es lernen zu müssen. Wir anderen hingegen müssen sozusagen erst gehen lernen. Vergleichen kann man das mit einer Person, die ins Leichtathletikteam möchte. Als schlanke, hochgewachsene und sehnige Gazelle wird man es leichter haben als jemand, der zuerst einmal seine Couch-Potatoe-Figur in Form bringen muss. So ist das auch mit dem Schreiben – Naturtalente gibt es eben.

Die Frage ist, worin sind sie Naturtalente? Na, im Geschichtenerzählen natürlich. Und was macht diese Fähigkeit aus? Geborene Geschichtenerzähler sind in der Lage, Geschichten so zu erzählen, dass sie ihr Gegenüber packen. Was dabei vor sich geht, darüber haben wir schon an einem anderen Ort gesprochen. Es ist nicht und schon das sogenannte Handwerk. Es ist die gleiche Gabe, die in jeder Beziehung zum Erfolg führt, sei es eine frohe Famile oder die erfolgreiche und beliebte Teamleitung. Es ist die Fähigkeit, die Kanäle vom Ich zum Du so zu nutzen, dass sie frei von Widerstand das transportieren, was ich schicken (und empfangen) will.

Wie dieser Prozess funktioniert, das versuchen Schreibratgeber zu erklären. Dabei haben wenige Leute Mechanismen gefunden, und all die anderen erzählen die seither mehr oder weniger elegant nach. Was bedeutet das mit den Kanälen? Vom Prinzip her gelten immer dieselben naturgesetzmäßigen Ordnungen. Ob die zum Schreibratgeben oder von der Psychologie angezapft werden, ist egal. Die energetische Ordnung bleibt dieselbe. Näher möchte ich nicht darauf eingehen, denn ich bezweifle, dass es viele interessiert. Die meisten wollen nur wirksame Knöpfe gezeigt bekommen, haben aber wenig Interesse daran, warum die wirksam sind. Dabei wäre es nicht kompliziert. Man bräuchte nur sich selbst zu fragen, was man mag. Da Bücher in der Regel freiwillig gelesen werden, geht es stark ums Mögen.

Am Anfang war das … Bedürfnis. Das ist sozusagen der Wegweiser für die Himmelsrichtung. Krimi, Romanze, History oder Fantsay zum Beispiel. Als nächstes geht es darum, trotz allem etwas Vertrautes zu finden, denn nur etwas Vertrauensvollem sind wir bereit, uns anzuvertrauen. Das Bedürfnis wurstelt sich meist nicht bis ins Tagbewusstsein herauf, sondern schlummert gern mal in dunklen Ecken tief drin. Aber wir spüren es doch: Darf es spannend sein? Romantisch? Anders? Trotz des Vertrauten wollen wir aber unsere Fantasie hantieren lassen. Auch diese paar Eckpunkte schlagen sich in ein paar Schreibratgeberregeln nieder.

Es beginnt bei der Wahl des Genres, von deren Vermischung Verlage und Buchhändler abraten. Klar, denn Mischbedürfnisse sind schwerer zu-, aber auch im Buchladen einzuordnen. Die ›Regel‹: genrerein schreiben.

Zum Thema Bedürfnis gibt es gleich eine ganze Menge von den Regeln. Wir wollen an der Hand genommen werden durch eine fiktive – aber gut verständliche, bekannte – Landschaft. Um das zu erreichen, soll die Landschaft interessant (show don’t tell) und spannend (gute Amplitude der Spannungskurve) beschrieben werden. Viele von uns wollen sich dabei zurücklehnen (nicht durch viele Figuren oder durch Rückblenden zur Konzentration nötigen), während andere das Gegenteil bevorzugen oder originell-brillante Metaphern lieben (man kann es nicht jedem recht machen).

Alles Bevormundende torpediert das Beflügeln der Leserfantasie. Das sind zu viele Adjektive genauso, wie zu beschreibende Inquits, die den Leser für zu dumm verkaufen, um aus Kontext und Dialog Stimmungen und Handlungen zu erfantasieren. Leser reagieren darauf zurecht bockig.

Ganz einfach kann man so selbst herausfinden, wie zustande kam, was sich uns nun als (angeblich starre und aufmüpfig gehasste) Regel präsentiert. Das war nur ein kleiner Teil dieses komplexen Gebiets ›Kommunikation zwischen zwei Menschen‹, wenige Beispiele, um zu zeigen, wie man einfach selbst dahinterkommen kann, wie es zu den eindimensionalen Regeln kam.

Neuerdings gibt es ja Bestrebungen, Bestseller zu entschlüsseln, einen, nein den Bestsellercode zu finden. Die Frage lautet: Was macht ein Buch zum Bestseller und was hindert es daran? Diese Entschlüsselung funktioniert sogar interessanterweise. Aber: Wir erfahren nichts wirklich Neues. Es ist lediglich eine andere Blickrichtung auf die Erzähler-Zuhörer-Kommunikation. Wir landen also wiederum bei der Energie zwischen Autor und Leser.

Und warum dieser ganze Artikel?

Einmal mehr würde es mich freuen, wenn es Autoren als reinen Menschen gelingt, ihre Aufmerksamkeit auf ihr Gegenüber zu lenken. Beim Schreiben ist das der Leser. Man braucht eigentlich nur seine ganze Empathie zusammenzunehmen, um dem Leser, als einem Wesen, das man mag, das Verstehen seiner Geschichte möglichst leicht zu machen. Das kann man bei jedem Thema, sogar bei wissenschaftlichen. Es gibt Metaphern, Beispiele und Analogien, wir hätten ja zu gelungener Kommunikation wahrlich einen gut bestückten Werkzeugkasten. Es braucht nur Eines: sich aus dem engen Regeldenken darüber hinauszubewegen, so einen Über-Blick zu erlangen, um dann den tieferen Sinn der Regeln, in sich zum Leben erweckt, nun verstehend anzuwenden. Nach diesem Prozess wendet man sie zwar immer noch an, aber mit dem Durchleuchten haben wir sie zu Weggefährten gemacht, von denen wir nun wissen, dass und warum wir ihnen vertrauen können.

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