Die Buchwelt außerhalb Amazoniens

Amazon ist das Paradies der Self-Publisher. Amazon ist das Gefängnis der Self-Publisher. Sobald du dich außerhalb dieser Insel begeben möchtest, fangen die Probleme an. Welche und warum, darüber plaudern wir jetzt.

Wenn du die magische Tür geöffnet hast und zum ersten Mal in diesem schillernden Raum stehst, den man ›Die Welt des Buchs‹ nennt, dann wirst du vielleicht von einem Kribbeln in deinem Inneren empfangen worden sein, das dich begleitet hat, bis du unter dein erstes Buch ›Ende‹ gesetzt hast. Du bist begeistert von dir, dass du durchgehalten hast, auch wenn sich dir schon die eine oder andere frustige Erfahrung in den Weg gelegt hat. Du bist zurecht begeistert und ich gratuliere dir herzlich zu deinem Entschluss, zu schreiben!

Vermutlich gehörte zu deinen weniger erbaulichen Erlebnissen alles um das Thema, wo und wie du veröffentlichen sollst. Schließlich gibt es eine ganze Menge Optionen außerhalb des großen Stroms, des Amazonas. Alle locken, weil alle mitschneiden möchten auch an deinem Buch, denn man weiß ja nie – inklusive dir selbst – wo der nächste Bestseller lauert, und ob es nicht vielleicht genau dein Buch sein wird.

Auf die Möglichkeiten möchte ich im Detail nicht eingehen, dazu gibt es genug Informationen im Netz. Vielmehr möchte ich dich an der Hand nehmen zu einem weiteren Abenteuer des Zu-Ende-Denkens.

Was ist das Verlockendste außerhalb Amazons? Genau, der Buchhandel. Nachdem du dich erstmals mit dieser Thematik auseinandergesetzt hast, weißt du nun, dass man eine ISBN braucht und dass es das VLB gibt, das Verzeichnis lieferbarer Bücher, ohne diese beiden gar nichts geht. ISBN-Nummern sind für den Einzelbezug relativ teuer und der VLB-Eintrag ein wenig aufwändig. Das sieht nach Berg aus, nach Hindernis, nach Arbeit. Und was lockt nach geknacktem Hindernis? Der Erfolg. Den schreiben sich die Firmen auf ihre Marketingfahnen. Und ja, wenn du das gemeistert hast, dann … hast du eine ISBN und einen VLB-Eintrag. Die Welt steht dir offen. Steht sie? Leider, leider. Es hat sich so gut wie gar nichts verändert. Denn allein mit diesen zwei weiteren Stufen bist du deinen zukünftigen Lesern keinen Schritt näher gekommen. Denn – sie wissen nämlich nichts davon, dass es dich und dein Buch gibt. Ohne diese Kleinigkeit nützt dir alle Mühe bisher gar nichts. Nicht einmal dein Buch (außer du hast es nur für dich und ein paar Bekannte geschrieben). Dass allerdings diese klitzekleine Tatsache – bekannt/nicht bekannt – alles entscheidet, darüber halten all die ISBN- und VLB-Eintragsverschenker brav still. Logisch, oder? Sie lügen ja auch nicht, wenn sie das einfach nicht erwähnen. So läuft eben Marketing. Was uns aber nicht daran hindern sollte, selbst zu denken.

Genau hier beginnen viele, sich ihre Finger blutig zu kratzen an der rauen Wand der Sichtbarkeit. Ohne dass Leute wissen, dass es deine Location gibt, ist es völlig sinnlos, deine neue Bar in der Einöde hell zu beleuchten und Feiertagsspeisen aufzutragen. Niemand wird sich aufs Geratewohl dorthin verirren. Wie auch?

Genauso verhält es sich mit ISBN, VLB-Eintrag und vielleicht auch noch einer organisierten Auslieferung. Alles für die Katz, wenn niemand kauft, weil er nicht um das Buch weiß.

Trotzdem werben all die Distributoren und Vertriebshilfefirmen mit genau diesen Argumenten. Sie klingen sehr logisch und verheißungsvoll; praktisch kostenlos wird für deinen neuen Renner eine frisch asphaltierte Piste zur Verfügung gstellt. Einfach toll, einfach altruistisch, einfach wunderbar. Vorab kosten tut es nämlich auch nichts, weil sie sich erst mit einem Prozentsatz an den Verkäufen beteiligen. Da kann doch nichts schief gehen, oder? Keiner von ihnen wird dir freiwillig dieses klitzekleine Etwas verraten, denn es könnte ja sein, dass sich genau dein Buch verkauft und dann hätten sie dich nicht gewonnen, weil er dich verunsichert hat (was heutzutage sehr einfach geht). Da nützt man doch viel lieber die Begeisterung des Jungautors aus, um sich ein wenig mitnehmen zu lassen. Funktionieren tut das System durch eine Mischkalkulation. Man kann ruhig bei einigen etwas drauflegen, wenn man dafür etwas bei den wenigen Erfolgreichen mehr verdient.

Um das Ganze verständlicher zu machen, ein Beispiel. Es gibt ein Unternehmen mit dem Namen NOVA MD. Sie werben damit, Self-Publisher zu unterstützen (ähnlich, wie das ja auch BoD macht). Man kann bei NOVA MD Bücher drucken lassen – nicht direkt, aber sie haben gute Verbindungen zu günstigen Druckereien – oder den Druck selbst beauftragen. NOVA MD stellt eine kostenlose ISBN zur Verfügung, ebenso einen kostenlosen VLB-Eintrag. Sie nehmen die gedruckten Bücher auf Lager und … warten, bis die erste Bestellung hereinkommt. Dann erledigen sie die Ver- und Abrechnung und du bekommst pro Buch einen Betrag abzüglich der Druckkosten sowie einem Unkostenbeitrag für die Leistungen von NOVA MD, der von ihren Kosten bis zum Buchhandelsrabatt alles beinhaltet. Kein Haken, keine Öse, alles tadellos.

Bis auf eines: Es weiß trotzdem noch niemand davon, dass es dein Buch gibt. Zwar wird motivierend von ›Promotion Tools‹ gesprochen, aber das relativiert sich bei genauerem Hinsehen. Es bleibt ein einziger Punkt übrig, der eventull ein wenig bringen könnte, wenn er denn auch gelesen würde: Eine Presseerklärungs-Rundmail, wo auch dein Buch unter vielen anderen an ein paar Tausend Journalisten verschickt wird. Aber denken wir mal weiter, indem wir uns in einen der Empfänger versetzen. Ich weiß zwar nicht, wie diese Presemitteilung aussieht, aber nehmen wir einmal das Positivste an: pro Buch mit Cover und Klappentext. Das ist in etwa so, wie wenn du bei Amazon nachsiehst: viele, viele Bücher und die meisten davon übersiehst du. Außer … du hast schon einmal von einem gehört oder es sticht dir aus irgend einem Grund ins Auge. Womit sich die Katze in den Schwanz beißt. Alle anderen Punkte … na ja, einfach selbst lesen und selbst denken dabei.

Um nicht missverstanden zu werden: ich finde das Konzept von NOVA MD wirklich gut. Denn auf diese Weise hast du den Weg in den Buchhandel ohne Verlag nicht nur geebnet, sondern das auch noch mühelos und elegant. Nur bringt dir der roteste Teppich nichts, wenn niemand drübergeht.

Und was kannst du nun tun? Aufhören zu schreiben, weil es eh nicht funktioniert? Bitte nicht! Aber nutze deine Energie sinnvoll.

Schreiben mit dem Ziel, sich mit den Büchern ein wenig dazuzuverdienen, ist ein steiniger Weg. Vor allem dann, wenn du nicht im großen Strom der Romance-, Erotik-, Fantasy- und Thrillergewässer schwimmen möchtest. Das Wichtigste ist und wird immer die Geschichte an sich bleiben. Bevor du dich aber mit dem Buchhandel beschäftigst, empfehle ich dir folgende Schritte:

  1. Werde gut. Schreibe, schreibe, schreibe und lese, übe, tausche dich aus und rechne nicht mit einem Über-Nacht-Erfolg. Deine Bücher sollen strotzen von deiner ganz persönlichen Energie. So wirst du auch zu den Lesern finden, die zu dir passen. Die Energie baust du auf zwei Linien auf: Dauer und Intensität. Oder anders: Dranbleiben und inneres Brennen für deine Geschichten. Letzteres ist das wirkliche Geheimnis für den Erfolg, nicht da Marketing in aller Munde.
  2. Geh nicht davon aus, dass dein erster Roman ein Bestseller wird. Zwar gibt es solche Fälle, aber die sind extrem selten! Wenn dein erstes Buch fertig ist, bemühe dich ums Marketing in bescheidenem Rahmen und setz dich ans nächste. Und ans nächste. Und dann … ans nächste.
  3. Erprobe dich auf Amazon. Dort hast du die besten Konditionen und kannst sowohl Print als auch eBook veröffentlichen. Investiere die Zeit, die du in andere Kanäle stecken würdest (Distributoren, Buchhandels-Illusion) und den damit verbundenen Frust lieber in Punkt 1. Erfahrungsgemäß bringen dir zudem die gelesenen Seiten von KU (Kindle Unlimited) mehr als all die anderen Distributoren zusammen.
  4. Wenn du Erfolg hast und auf Amazon gut verkaufst und wenn du konkret weißt, dass viele(!) Leute deine Geschichten über den Buchhandel wollen, dann beschäftige dich zum Beispiel mit NOVA MD. Dann erst.

In diesem Sinne wünsche ich dir (und mir) viel Freude und Erfolg!

 

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