Über das schief hängende Bild ›Überarbeitungskosten‹

Die meisten, die nicht irgendwo in einem Verlagszuhause wohnen oder im Self-Publishing etabliert sind – mit anderen Worten: Profis – stehen nach dem ›Ende‹ unter ihrer Geschichte vor einem Fragezeichen. Auf dem ganz großen steht: ›Verlag?‹, auf dem nächstkleineren ›Krieg-ich-eh-keinen-also-was-mach-ich-mit-dem-Lektorat?‹. Plaudern wir doch einmal darüber.

Auf den ersten Blick sieht die Lage so aus (für ein Buch mit etwa 300 Seiten):

  1. Lektorat und Korrektorat kosten mich 1.500 Euro – fällt flach, kann ich mir nicht leisten. Oder …
  2. Lektorat brauch ich keines, ich bin eh gut, aber ein Korrektorat wäre schön (so gut bin ich auch wieder nicht), das kostet mich immer noch 750 Euro … kann ich mir auch nicht leisten. Oder …
  3. Ich arbeite es selbst durch, habe schließlich ein Programm mit Grammatik- und Rechtschreibprüfung. Ich brauche niemanden. Oder …
  4. Das wird auch so gehen. Die Geschichte ist schließlich super und da überliest man schon mal den einen oder anderen Fehler wohlwollend.

Dazu, und überhaupt, eine grundlegende Frage: Warum schreibst du? Um damit Geld zu verdienen? Oder weil es dir Freude oder Erlösung schenkt?

Schreiben hat einen eigenartigen Status. Es ist eine Tätigkeit, von der fast alle sagen, dass sie es gerne tun. Das erinnert stark daran, was man über Hobbys sagt. Andererseits wird aber erwartet, dass es Geld abwerfen soll. Weder beim Malen, noch beim Angeln oder Modellfliegen, beim Onlinespielen oder Lesen käme jemand auf die Idee, dass er etwas dafür bekommt. oder? Im Gegenteil ist es völlig normal, dass man dafür bezahlt. Warum soll das akkurat beim Schreiben anders sein? In den Genuss zu kommen, sich wegbeamen zu können, Bilder zu schaffen, tolle Ideen zu Geschichten werden zu lassen oder sich etwas von der Seele zu schreiben – alles erfüllendes Tun. So weit so gut. Nun kommt noch etwas Eigenartiges dazu: Jeder schreibt einmal sein erstes Buch. Allerdings glaube ich, dass dem nur sehr selten eine längere Ausbildung vorangegangen ist. Und doch wollen wir für unser erstes Buch, ohne vorher groß in eine Ausbildung investiert (oder zumindest uns ausführlich autodidaktisch damit auseinandegesetzt) zu haben, Geld erhalten? Ist das nicht irgendwie … zumindest seltsam? Oder eigentlich ein bisschen anmaßend? Wenn es also um Geldverdienen ohne vorherige zeitliche und/oder finzanzielle Investition geht, die unsere Fertigkeit gebildet hat, wäre da nicht vielleicht Kellnern passender? Nur mal so als Idee, um dem Denken zum Thema einen alternativen Drall zu schenken.

Zur Erläuterung was ich meine, eine kleine, zugegebenermaßen etwas peinliche Anekdote aus meinem Leben. Mit neunzehn jobbte ich während meines Studiums in den Semesterferien in der Schweiz in einem Hotel als Kellner. Neben dem Hotel auf einem wunderschönen Ausflugspass stand ein kleiner Kiosk, in dem eine nette ältere Dame Souvenirs aller Art verkaufte. Ich zeichnete damals schon lange und gern und auch ziemlich gut – wenn ich mir nur Zeit dazu nahm. Irgendwie kam ich auf die idee, dass ich die Gelegenheit nutzen könnte, den Touristen ein paar Zeichnungen (Buntstift, fixiert) von der Gegend anzudrehen. Leider hatte ich nicht sehr viel Zeit – der Job war an schönen Tagen megaanstrengend – und ich wollte in meiner jugendlichen Blauäugigkeit und … nun ja, wohl auch Unverschämtheit, so schnell wie möglich so viel wie möglich mit so wenig Aufwand wie möglich verdienen. Entsprechend hingeworfen waren dann auch die Zeichnungen. Ich rechne es der Dame heute hoch an, dass sie mir die Gelegenheit für eigene Erfahrungen gab – sie hängte ein paar meiner ›Gemälde‹ auf. Beschämt, wenn ich daran denke, muss ich zugeben, dass es furchtbare Kritzeleien waren. Zum Glück hat sie niemand gekauft.

Ich möchte niemandem, der seine Schreibwerke vielleicht etwas unreflektiert unter die Leute bringen möchte, ähnlich Intentionen unterstellen. Vielmehr will ich mit dieser kleinen Geschichte davon erzählen, wie unterschiedlich unsere Wirklichkeiten sein können, konkret die des Autors und des Lesers. Das Zweite, worauf es mir ankommt, ist der Respekt vor dem Gegenüber. In unserem Fall der Respekt vor dem Leser, der erstens für unsere Geschichten Geld ausgeben und zweitens unseren Geschichten von seiner Zeit etwas schenken soll. Zeit und Geld, unsere angeblich wichtigste Ressource und notwendigstes Ziel. Ist es bei dieser Betrachtungsweise nicht naheliegend, dass man nicht nur sein Bestes gibt, sondern es auch so gut macht, wie es irgend möglich ist?

Aber kehren wir nun, vielleicht mit geweitetem Blick, zum unserem Self-Publisher-Dilemma zurück. Überlegen wir, wie wir das Hobby, das wir uns anscheinend nicht leisten können, vielleicht doch finanzieren oder zumindest günstiger werden lassen können.

Für ein Lektorat zahlt man von mindestens 3 Euro pro Normseite (extrem günstig) aufwärts. Zwischen 5 bis 7 Euro liegen normal und immer noch üblich. Bei 300 Seiten also von 900 bis 2.100 Euro. Bei den teureren Varianten ist vielleicht auch ein Korrektorat dabei. Wobei es nicht verkehrt wäre, das zu trennen. Vom Cover mit 150 bis 300 Euro mal abgesehen.

Gibt es günstigere Wege?

Eigentlich nicht. Und selbst bei den höheren Preisen sollt man ein Probelektorat erbitten, denn es gibt keine Qualitätsgarantie, aber in jeder Branche nicht so wenige schwarze Schafe. Aber man kann Vorarbeit leisten, durch die man sich dann eventuell einen besseren Pres vereinbaren kann.

  1. Vorarbeit Lektorat
    Für einen ersten Durchlauf bietet sich der Szenencheck (gibt’s nur bei Patchwork) an. Das ist eine Checkliste, die einem szenenweise an gewisse Kriterien erinnert, die man kontrollieren und abhaken kann. So wird man immer wieder an die wichtigen Kriterien der einzelnen Szenen erinnert. Weiters kann man mit diesem Tool auch die dramatische (also Spannungs-)Kurve prüfen.
    Kein Ersatz, aber eine Verringerung des Lektoratsaufwandes ist weiters, den Text selbst bestmöglich zu überarbeiten – wie gesagt, ist der Szenencheck dabei eine Hilfe.
    Dann kann man sich versierte Testleser suchen. Auch gibt es Schreibforen, bei denen man kapitelweise andere Kollegen darum bitten kann, den Text zu kommentieren (um es umgekehrt dann für die anderen natürlich auch zu tun). Hier empfiehlt sich folgendes Vorgehen: Das erste Kapitel einstellen. Es sollte nicht zu lang sein, sonst verlieren die anderen eventuell die Lust, es genau durchzugehen. Dieses Genaue ist nämlich wichtig! Die Erkenntnisse, die man hier erlangt, sollte man selbst gleich in die folgenden Kapitel einarbeiten. So wird man von Kapitel zu Kapitel besser. Also erstens nicht das ganze Buch fertigschreiben und erst dann damit beginnen, sondern schon früher. So kann man besser die gewonnenen Erkentnisse gleich einarbeiten ohne umfangreich umarbeiten zu müssen. Nicht empfehlenswert ist es, ein Kapitel hinter dem anderen einzustellen. Denn so bekommt man nur sehr wenige Anmerkungen und das hilft so gut wie gar nichts.
    Diese Vorarbeit kann das Lektorat zügiger und damit kostengünstiger werden lassen.
  2. Vorarbeit Korrektorat
    Hier kann man sich gut von Software unterstützen lassen. Am Beispiel Patchwork:
    1. Durchlauf: Stilprüfung (Füllwörter, Adjektive, Konjunktionen, Inquits – die weiteren Optionen sind nicht so vordergründig), Wortwiederholungen und Lesbarkeitsindex nutzen. Dann anhand der Dialogverfolgung die Dialoge überprüfen.
    2. Durchlauf: Den Text vorlesen lassen. Die Stimmen lesen wirklich, was da ist. Im Gegensatz zum menschlichen Vorlesenlassen übersehen sie keinen einzigen Fehler und das hört man sofort heraus.
    3. Durchlauf: Andere Optik. Liest man den Text in einer anderen Optik, ist er auf eine eigenartige Weise neu. Je größer der Unterschied ist, umso besser. Schau dir die Gegenüberstellung rechts im Detail an (Patchwork im normalen Schreibfenster links und rechts im puristischen Modus, bei dem man nur die aktuelle Seite sieht, optional rechts mit dem Thesaurus dabei) und du wirst sehen, was ich meine.

Je weniger Übung man hat, desto mehr Wert sollte man in jedem Fall auf diese Vorarbeit legen. Selbst wenn man einen Verlag bekommen sollte, sind die Chancen deutlich besser, je besser der Text überarbeitet ist.

Hie und da höre ich das Argument: »Ich bin derjenige, der die Geschichten schreibt, für die Ausarbeitung … wofür gibt’s Lektoren?« Diese Aussage empfinde ich als überheblich, sogar politisch inkorrekt. Sind denn Lektoren das Fußvolk, das die Unfähigkeit des Künstlers (gefälligst) auszubessern hat? Ich kann mir durchaus vorstellen, mit welchem Zähneknirschen mancher Lektor seine zum Leben notwendigen Aufträge ab und zu entgegennehmen mag. Ich denke, jeder, der sich Schriftsteller nennen will, sollte mindestens Rechtschreibung, Grammatik und auch alle anderen Aspekte des Handwerks sehr gut beherrschen. Als wirklicher Künstler will ich doch wohl in der Lage sein, auch das rein Technische zu beherrschen, oder? Ich finde, das sollte, selbst wenn man mit der Rechtschreibung kämpft, Ehrensache sein.

Vielleicht mag das für den einen oder anderen ein etwas demotivierender Artikel sein. Aber ich finde es wichtig, möglichst viele Sichtweisen einzubeziehen. Deshalb mein Versuch, Ideen beizusteuern und auch ein meines Erachtens schief hängendes Bild geradezurücken.

Es würde mich freuen, eine geweitete Sicht bewirkt zu haben und wünsche jedem Autor, dass seine Bemühungen durch viele Käufe honoriert werden mögen!

 

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Benutzer, die diesen Beitrag geliked haben

  • Dagmar

Ein Kommentar zu “Über das schief hängende Bild ›Überarbeitungskosten‹

  1. dagmardagmar

    Wieder einmal äußerst wahr, Martin, was Du hier schreibst. Da ich jahrelang als Lektorin gearbeitet habe, weiß ich sehr genau, wovon Du sprichst. Gewisse „Autoren“ (ich setze das absichtlich in Anführungszeichen, und die Autorinnen sind mitgemeint) scheinen wirklich zu meinen, diesen Titel kann man sich allein dadurch „verdienen“, indem man ein paar Wörter zu Papier bringt, egal in welcher Qualität, ohne Sinn und Verstand und ohne Zusammenhang.

    Lektorinnen und Lektoren wurden schon immer unterschätzt, aber solange das Lektorat kostenlos vom Verlag zur Verfügung gestellt wurde, war das vielleicht verständlich. Was nichts kostet, ist auch nichts wert. Aber heutzutage, wo man als Self Publisher die Preise sieht (und das ist oft lächerlich, wenn man bedenkt, was ein Lektor oder eine Lektorin manchmal leisten muss, um aus einem Schrott-Text noch etwas einigermaßen Annehmbares zu machen), sollte man doch langsam wissen, dass das Arbeit ist. Immer noch unterbezahlte Arbeit, aber wenigstens gibt es jetzt mal Zahlen, die man vorzeigen kann.

    Deine Anekdote aus Deiner Jugend ist sehr lehrreich (und da wir ja alle mal jung waren, sehr verständlich. Wer hat so was nicht mal gemacht in dem jugendlichen Alter? :)) und zeigt genau das, was sich Self Publisher heute zu großen Teilen leisten, OBWOHL sie keine Jugendlichen mehr sind in den meisten Fällen, es also eigentlich besser wissen müssten.

    Ja, Schreiben lernt jeder schon als kleines Kind in der Schule, und deshalb kann es auch jeder, oder wie? Dass Buchstaben aneinanderreihen nichts mit Bücherschreiben zu tun hat, diese Unterscheidung scheinen die meisten nicht zu machen. Da heutzutage aber Verlage praktische keine Lektoren mehr haben, schafft das allerdings doch viele Aufträge für die nun alle freiberuflichen Lektoren, solange es immer noch Leute gibt, die meinen, irgendwas kriegen sie schon hingeschmiert, und dann sind sie „Autor“.

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