Passion leben

Ich denke, es geht vielen Autoren so: Schreiben begeistert, verzückt, macht lebendig, ausgeglichen, macht fröhlich, erfüllt. Soviel zur schönen Seite. Nur leider klappt das Davon-Leben meist nicht so wirklich. Woran mag das liegen?

Wieviele Menschen verdienen ihren Lebensunterhalt mit einer Arbeit, die sie im Herzen verabscheuen – um dann einen Teil des verdienten Geldes in der Freizeit dafür auszugeben, was sie gern tun. Das hat mich schon immer zum Grübeln gebracht. Meiner Frage, warum jemand nicht das tun würde, was ihn erfüllt, wurde meist mit einem müden Lächeln begegnet, verbunden mit den Worten: »Man kann sich das halt nicht aussuchen … sorry, hab jetzt keine Zeit, ich muss zur Arbeit.«

Kann man das wirklich nicht?

Ich glaube schon, nur klappt es in den seltensten Fällen. Ein paar Gedanken nun zu den Voraussetzungen, dass man mit seiner Passion auch seinen Lebensunterhalt verdienen kann.

Leben ist ein ständiges Pendeln zwischen zwei Polen. Sei es oben und unten, Yin und Yang, Geburt und Tod, Tag und Nacht, hüben und drüben. Harmonisches Leben bedeutet ausgeglichenes Sein zwischen den verschiedensten Polen. Irgendwer hat das in Worte gefasst und es Goldene Mitte genannt. Ungleichgewicht schafft alles, vom Unbehagen über krankheit bis zum Tod. Aber Ungelcihgewicht ist auch wieder notwendig um die Ausgeglichenheit wahrnehmen zu können. Es soll hier aber nicht um mystische Weisheiten gehen. Nur soviel: Impulse sind unerlässlich dafür, in Ausgeglichenheit existieren zu können.

Was wir als Autoren anstreben – und das wünschen sich im Prinzip alle Menschen, nur eben mit anderen Leidenschaften (wenn sie sie denn auch gefunden haben) – ist die Ausgeglichenheit, unsere Passion leben zu können und zugleich auch von unserer Passion leben zu können.

Als wunderbaren Erfolg kann man es sehen, seine Passion überhaupt gefunden zu haben – weniger Menschen, als man denkt, wird dieses Privileg zuteil. Sicherheitshalber sollte man sich allerdings fragen, ob das Bedürfnis nach Schreiben wirklich dem Wunsch nach Geschichtenerzählen entspringt oder ob es nicht der Wunsch des therapeutische Unterbewusstseins ist, diesen Kanal zur Erlösung zu nutzen. In letzterem Fall gilt das Schreiben nur dem ›Ausdrücken‹ von etwas, ähnlich dem Leeren einer Tube, damit man danach etwas Bedrückendes los ist. So wertvoll dieser Prozess auch ist – und ich glaube, er betrifft in Wirklichkeit gar nicht so wenige Autoren – so gelten meine folgenden Überlegungen doch der ersten Gruppe.

Okay, wir sind uns also darüber klar geworden, dass das Schreiben, das Erzählen von Geschichten, unser Lebenswunsch ist. Vielleicht nicht unbedingt die Leidenschaft, die tief sitzende Passion, so doch die Gewissheit, damit den für sich richtigen Weg gefunden zu haben. Nicht alle Menschen sind zu feuriger Leidenschaft in der Lage, was nicht nur nicht notwendig, sondern mitunter recht wohltuend sein kann. Allein das Ding mit dem Geldverdienen klappt nicht.

Wenn es nicht klappt, hat das für jeden einzelnen von diesem Dilemma Betroffenen seinen ganz bestimmten Sinn. Um diesen Sinn kann es hier aber nicht gehen. Blicken wir deshalb hinter die Bühne und betrachten wir die allgemeingültige Mechanik in der Weltenmaschinerie, die es möglich machen kann.

Das Geheimnis liegt, wie eingangs angeschnitten, im Gleichgewicht. Mit dem Finden unserer persönlichen Passion haben wir den einen Pol entdeckt. Mit einer Hand hängen wir daran und fuchteln mehr oder weniger verzweifelt in dr Luft herum, um auch den zweiten Teil in die Hand zu bekommen, den, der uns ermöglicht, von unserer Passion auch leben zu können.

Den zweiten Teil. Oder anders: den Partner, also den, der für unsere Geschichte das lebensnotwendige Geld zu geben bereit ist. Den Leser.

Ein Autoren-Leser-Verhältnis kann man als Partnerschaft betrachten, in die jeder das einbringt, was er kann. Der Autor die Geschichte, der Leser das Geld. Die Schnittstelle ist das Buch. Diese Schnittstelle muss in allen Belangen stimmen. Wie sich daraus übrigens leicht ableiten lässt, sind Cover und Titel viel mehr, als nur ein Marketinginstrument. Sie sind Teil der Schnittstelle. Und wie wir ja von Computern und Ladegeräten und all dem anderen technischen Kram wissen, geht es nicht nur um die fließende, informationsvermittelnde Elektrizität, sondern auch um passende Stecker. Aber das nur am Rande.

Also: Das  Autoren-Leser-Verhältnis ist eine Partnerschaft und, ob schriftlich oder gedanklich, spielen bei Partnerschaften immer Verträge eine Rolle. Zu einer Win-win-Situation kommt es dann, wenn beide den Vertrag bestmöglich erfüllen. Nun meinen wir Autoren meistens, wir hätten mit dem Schreiben unserer Geschichte unseren Vertragsteil bereits erfüllt und sind enttäuscht, wenn sich nicht von selbst Leser bei uns einfinden, um unsere Werke zu kaufen. Eigentlich ist das ja ziemlich blauäugig und muss bei näherer Betrachtung genau so enden wie es das tut – im Sich-Nichtfinden von Stecker und Buchse. Was muss stimmen, dass die gewünschte Win-win-Situation entsteht?

  1. Die Schnittstelle ist optimal aufbereitet
    Zwar scheint das eine reine Formsache zu sein, es ist aber mehr. Zur Schnittstelle zählen:
    – Titel
    – Covergestaltung
    – Klappentext
    Eh bekannt? Nicht in der wirklichen Tragweite, glaube ich. Nehmen wir wieder den Vergleich von Steckern. Bei denen genügt es nicht, dass sie schön sind. Sondern sie müssen definitiv passen. Vergleichen wir es mit den drei oben genannten Kriterien, dann bedeutet ›schön‹ gar nichts, denn das sieht jeder anders. Vor allem Selfpublisher neigen dazu, Kosten für das Cover zu sparen und basteln selbst etwas. Das kann nicht funktionieren, auch wenn (dem Autor) das Ergebnis noch so gut gefällt. Passen wird es nur, wenn der Leser das findet, was er erwartet. Hier wird es zwar schwierig, denn was erwartet der Leser? Nehmen wir einmal an, wir wollen Milch einkaufen. Ist es da wahrscheinlich, dass wir sie bei den Süßwaren in einer knallroten Verpackung finden? Eher nicht. Genauso hat sich der Leser ein inneres Bild davon gemacht, wie das Buch seiner Wünsche aussehen soll. Natürlich weiß ich nicht, welche Erwartungen ein Leser hat. Aber wir können es teilweise herausfinden. Es geht aber vor allem darum, den eigenen Denkmechanismus weg von sich selbst hin zum Leser zu entwickeln. In unserer Gesellschaft aus lauter Social-Media-Narzissten ein sowohl schwieriger, wie auch dringender Einstellungswandel. Allein das Überdenken dieser unserer Sicht bewirkt etwas.
  2. Der Leser findet zu der Geschichte des Autors
    Das ist heute ein wirkliches Problem, trotz Internet, Amazon und unzähliger Shops. Es genügt nicht, den Titel zu veröffentlichen. Zuerst sollten wir ermitteln, wo unsere (also nicht irgendwelche) Leser ihren Stoff suchen. Diejenigen, die absolut typische Mainstreamgenres reinrassig versorgen, haben noch die besten Chancen. Alle anderen Autoren müssen andere Kanäle suchen, was zu Kleinarbeit werden kann. Oder es tun sich ähnlich schreibende Autoren zusammen, um eine Plattform für die entsprechenden Leser zu entwickeln. Das aber scheitert wiederum an der allgemeinen Unfähigkeit oder mangelnden bereitschaft
  3. Der Autor erfüllt mit seiner Geschichte das Bedürfnis des Lesers
    Was man hier tun kann, ist, meiner Meinung nach, authentisch zu sein und die Macht der Gefühle zu nutzen. Abschätzen, ob der Leser den Bildern folgen kann. Manche Leser legen auf Rechtschreibung weniger wert, manche mehr. Auch das hat mit Leserbedürfnis zu tun.

Was möchte ich mit diesen meist bekannten Details aufzeigen? Um die Passion auch leben zu können, ist es notwendig, sich um den Kanal zum (Vertrags-)Partner zu kümmern, zumindest um die Hälfte. Es genügt nicht, einfach laut oder anders zu sein, sondern es geht um diesen feinen Draht zwischen den Kontrahenten, ich möchte sagen, um die Chemie. Die wenigsten haben Geschichten, die so spektakulär gut sind, wie Models aussehen. Und sogar von den Models gelingt es nur wenigen, ein glückliches Leben zu erreichen. So geht es auch mit unseren Geschichten. Die wenigsten haben die knallige Energie zum Bestseller. Also müssen wir uns mehr mit dem Weg zu unserem Gegenüber beschäftigen. Entweder die Geschichte hat eine sehr hohe Energie, sprich sie erfüllt in sehr hohem Maße Lesebedürfnisse, dann ergibt sich die Verbindung Geschichte – Leser verhältnismäßig einfach. Oder es ist nicht der Fall, dann ist die Pflege des Kanals wichtiger. 100% sind einfach notwendig zur Erfüllung, wo wieviel davon ist egal, das merkt man sehr schnell. Beispiele für höchste leserbedürfniserfüllung zu diesem Zeitpunkt (der verändert sich natürlich ständig) waren zum Beispiel Harry Potter oder Fifty Shades of Grey. Alle fragen sich, wie die zu Bestsellern wurden. Dabei ist es klar ersichtlich. Leider sind die Parameter schwer zu erkennen. Aber wenn man sich nicht auf den Weg macht, die Bedürfnisse seiner Leser zu erfahren, wird man sie gar nicht finden.

Summa summarum geht es um Beziehungspflege

 

Vor allem beim Geldverdienen zeigt sich, dass Leben immer ein Vertrag zwischen zwei Instanzen ist – einem selbst und dem/den anderen. Passion, also Leidenschaft für eine Arbeit erfüllt dabei aber erst einmal nur den eigenen Part. Nun kommt die schwierige Frage, wie ich mit meiner Passion dem anderen dienen kann – so altmodisch das auch klingen mag. Nur wenn mein Gegenüber auch von dem überzeugt ist, was ich tue, wird es bereit sein, seinen Teil des Vertrages zu erfüllen (und für mein Buch zahlen).
Der Vision zu folgen und die Passion zu ermöglichen ist die Grundlage für ein glückliches Leben. Aber auch erst einmal nicht mehr. In der zweiten Stufe muss ich einen Weg finden, wie ich die Verbindung zu meinem Gegenüber schaffe. Erst dann fließt es und nährt mich (im wahrsten Sinn des Wortes).

Schreibe einen Kommentar