Leseprobe ›Ich möchte …‹

1 Ein Prozessbegleiter?

Ein Prozessbegleiter? Cool! Gehen wir jetzt Arm in Arm klagen?

Ich hoffe doch nicht! Obwohl … Schreiben ist schon verdammt viel Prozess!

Lass mich dabei dein Storyguard sein!

Schreiben ist zum einen Schreibprozess. Den meine ich aber gar nicht. Mit dem Schreiben erklärst du dich, bewusst oder unbewusst, bereit dazu, dich auch auf andere Prozesse einzulassen, auf ganz persönliche. Das kann bei Erlebnissen im Rahmen einer Recherche beginnen. Wenn du dann schreibst, geht es aber erst richtig los! Du erlebst Begeisterung und wirst dich frisch verlieben: in deine Figuren. Gleich daneben wartet Frust auf dich, denn du bleibst in der Geschichte stecken wie bei einem Offroad-Trip im Sumpf. Neben deinem Weg lauern Unsicherheiten und Selbstzweifel. Du wirst total begeistert sein von dem, was du geschrieben hast. Dann gibst du es einer Kollegin zum Lesen. Aber sie teilt deine Freude nicht, sondern du erhältst deinen Text doppelt so lang zurück – vor lauter Anmerkungen. Schließlich willst du dein Buch veröffentlichen und bekommst von den fünfzig angeschrieben Verlagen zwanzig Absagen und vom Rest hörst du gleich gar nichts. Oder du veröffentlichst dein Buch selbst und keiner kauft es. Oder du verdienst aus dem Stand heraus fünftausend Euro. Eine Fieberkurve bei Malaria ist ein Dreck dagegen!

Mir drei Worten: alles ist drin!

Der Prozess – dieser Buchtitel ist leider berühmt vergeben – ist in Wirklichkeit ›die Prozesse‹: das Schreiben an sich, deine persönlichen Prozesse, die du dabei erlebst und der Prozess, den deine Geschichte durchläuft: Intention – Ideenfindung – Planung – Rohschrift – Überarbeitung – Exposé – Verlagssuche oder Self-Publishing. Wenn du deine Geschichte selbst herausbringst, dann geht es noch weiter: Lektorat – Korrektorat – Cover – Satz und Veröffentlichung – Marketing – Leserpflege.

Mit diesem Buch möchte ich dich vor allem bei dem dritten Prozess begleiten. Du sollst hier von allen Stufen erfahren, die dir begegnen werden. Wenn du dieses Buch durch hast, weißt du, was auf dich zukommt. Und du weißt für später, wo du nachschlagen kannst, wenn du feststeckst.

Ich werde dir keinen Honig ums Maul schmieren und dir sagen, wie easy alles ist. Lieber ziehe ich mir den einen oder anderen Unmut zu, bleibe aber ehrlich. Auch das wirst du sonst selten lesen, denn alle erzählen nur von den schönen Seiten, wie wichtig es ist, Regeln zu befolgen, dann wird nämlich alles gut. Nur wenn man weiche Decken aus Illusionen ausbreitet, ist man lieb und wird gekauft.

Totaler Blödsinn. Und dir gegenüber hundsgemein noch dazu.

Schreiben – und Erfolg damit zu haben – ist nicht einfacher als Saxofonspielen, irgendeinen Master zu machen oder einen großen Wettkampf zu gewinnen. Dafür ist der Erfolg genauso süß und der Weg dorthin ein echtes Abenteuer!

Auf den folgenden Seiten geht es weniger darum, wie man schreibt, sondern vordergründig darum, was notwendig ist, dass du damit Erfolg hast.
Dieses Buch bietet eine runde Grundlage speziell auch für das Selbstverlegen. Bitte rufe dir eines ins Gedächtnis: Vor zehn Jahren gab es diese Möglichkeit mit E-Books noch gar nicht! Du musstest dich auf den jahrelangen harten Weg zu einem Verlag oder einer Zeitschrift ein- oder es bleibenlassen. Heute hast auch du mit deinen Veröffentlichungen eine reale Chance auf Erfolg. Aber es gibt keine Helikopter-Engel, die dich zu deinen Lesern fahren. Du musst selbst deinen Rucksack packen, dich um die Route kümmern, dich vorher drillen und dich dann auch selbst auf den Weg machen.

Also kein Honig, kein Heli, doch dafür ist dir dieses Buch ein verlässlicher Scout auf deinem Weg. Es wird dir dabei helfen, an den richtigen Orten zu trainieren und dein Augenmerk auf das Ausschlaggebende zu richten. Du wirst von der Sprache der Leser erfahren, wie du Fallgruben umgehen kannst und Fehler vermeidest, die Unwissende Monate oder Jahre kosten. Du wirst erfahren, welche Möglichkeiten du hast, wenn dein Werk fertig ist und bekommst einen Wegweiser samt Landkarte, wie du diese Wege am effizientesten gehst.

 

2 Was willst du eigentlich?

Eben habe ich gegoogelt, ob heute ein Buch zu schreiben auch noch zu den zehn Dingen gehört, die man getan haben sollte. Als Mann. Auf einer der gefundenen Listen war es noch dabei. Und als Frau? Tja, für Frauen habe ich gar keine Zehn-Punkte-Liste gefunden. Unter achtzig Punkten tut es keine. Buchschreiben war übrigens nirgends dabei, was einen krassen Gegensatz zu meinen Erfahrungen darstellt – es schreiben mehr Frauen als Männer. Zugegeben, ich habe auch nicht fünf Stunden lang gesucht.

Einmal habe ich einen Verleger sagen hören, offensichtlich schriebe jeder zweite Deutsche. Keine Ahnung, ob das wahr ist. Aber wir Autoren sind wirklich unglaublich viele.
Bevor wir ins Eingemachte gehen, eine sehr private Frage: Warum möchtest du ein Buch schreiben? Ist das Du übrigens in Ordnung? Und sicherheitshalber auch gleich etwas zum Gendern: Ich finde diesen AutorInnen-Konstrukt nicht nur optisch unschön, sondern auch umständlich. Deshalb bitte ich um Verständnis, wenn ich das einer besseren Lesbarkeit zuliebe nicht so handhabe, sondern einmal werden dir Autoren, dann wieder Leserinnen begegnen. Ich hoffe, das geht so auch für dich in Ordnung.

Also, warum willst du?

Was mich das angeht? Nichts natürlich. Aber für dich ist es wichtig, denke ich. Und auch für eventuelle Leser deiner Geschichten. Und zwar deshalb, weil es einen, nein den Unterschied macht, ob du dein Buch nur für dich schreibst, oder ob du möchtest, dass es auch andere lesen.

Schreibt jemand nur für sich? Klar, warum nicht? Tagebücher. Aber auch jede Schreibtherapie ist Schreiben ohne üblicherweise dem Ziel, das Ergebnis zu veröffentlichen. Außer man ist narzisstisch und/oder eine bekannte Person; bei letzterer funktioniert selbst das. Ob Therapie oder Tagebuch: Schreiben ist immer ein Prozess (ja, da ist er schon wieder). Das verspreche ich dir. Das Schöne daran ist, dass du es bist, der bestimmt, ob du verlierst oder nicht, denn du bist bei diesem Verfahren Angeklagter, Kläger und Richter in einem.

Bevor ich aber ein ›Thema verfehlt‹ zu diesem Kapitel bekomme, zurück zur Frage: Was willst du?

Willst du veröffentlichen, was du schreiben wirst?

Wenn du hier mit ja oder mit vielleicht antwortest, dann ist dieses Buch für dich.

Sonst im Prinzip auch.

 

Geld oder Leben? Aber nicht mit vorgehaltener Pistole und Rufzeichen, sondern mit einem Fragezeichen.

Das ist die zweite große Frage, die du klären solltest, bevor du zu schreiben beginnst; vor allem dann, wenn du deine Geschichten selbst herausgeben möchtest.

Die Antwort bestimmt nämlich, wie sehr du dich mit dem Mainstream (das ist die Art von Bücher-Mississippi, in dem 99 Prozent aller Leser treiben) und seinen Nebenarmen auseinandersetzen musst.

Ist es dir wichtig, mit dem Schreiben Geld zu machen, dann bleibt dir nichts anderes übrig, als die Mainstreamarme genau zu untersuchen, bevor du loslegst. Gehe auf den Amazonas – pardon: Amazon und setze dich genau mit den Top-100 deines angepeilten Genres auseinander. Was wird dort angeboten beziehungsweise gelesen? Lies Bücher an, die dir ähnlich vorkommen, merke dir die Covers und beobachte die Entwicklung. Und dann versuche, deine Schreibe danach auszurichten. Wenn du dann auch noch ein passendes Cover gestalten lässt und genügend Zeit ins Marketing zu stecken bereit bist, sind deine Chancen ziemlich gut.

Wenn du aber deinen eigenen Weg gehen möchtest, dann wappne dich schon jetzt mit dicker Haut und langem Atem. Denn der Mainstream nimmt den absoluten Großteil der Oberfläche unseres Leserplaneten in Beschlag. Nachvollziehbar, dass im restlichen Prozent – wenn es überhaupt so viel ist – die Luft dünn wird.

 

3 Über den wichtigsten Irrtum

Dieser Irrtum macht es vor allem Neueinsteigern beim Schreiben immens schwer. Er kann nicht nur das erfolgreiche Durchstarten hinauszögern, sondern sogar dazu führen, dass eine Autorin frustriert das Handtuch wirft und mit dem Schreiben aufhört.

Der Irrtum hat einen Namen: Regeln.

Schriftsteller sind Künstler. Für Künstler ist Kreativität vordergründig. Der Wunsch, Originelles und vielleicht sogar Neues zu schaffen. Was, um Himmels Willen, haben da Regeln verloren?
Das Argument kann ich voll und ganz nachvollziehen, denn ich selbst halte von starren Regeln nichts.

Ich gestehe sogar, aus reinem Achtsamkeitstraining mitunter im Alltag – natürlich nur, wenn es die Situation erlaubt – Regeln bewusst zu brechen. Es geht mir darum, nicht in das dumpfe, lemminghafte und gedankenlose Hinterhertrotten sinnloser Vorgaben zu verfallen, sondern meine innere Beweglichkeit zu trainieren. Nicht, dass das eine Empfehlung zum Nachmachen wäre, ich möchte damit nur anführen, dass ich von starren Regeln selbst nichts halte.

Straßenverkehr und Kommunikation haben etwas gemeinsam, damit sie funktionieren: Du brauchst Vereinbarungen, die alle Beteiligten kennen. Dort sind es Verkehrsregeln, bei der Kommunikation sind es psychologische Gegebenheiten.

Und um diese psychologischen Fakten geht es.

Ein simples Beispiel: Wenn jemand mit finsterem Blick und gesenktem Kopf langsam auf dich zugeht und du aus den Augenwinkeln seine geballten Fäuste bemerkst, wird er kaum dein Vertrauen gewinnen. Wenn dieselbe Person dich freundlich anlächelt und grüßend eine Hand hebt, sieht die Sache anders aus. Zwei Personen, du und der andere, aber eine völlig unterschiedliche Beziehung.

Und darum geht es. Wenn ich als Autor den Leser grimmig anblicke, darf es mich nicht wundern, wenn er das Weite sucht. Wenn ich einem Chinesischsprechenden einen Vortag auf Kisuaheli halte, wird der sich vermutlich bald desinteressiert abwenden.

Wenn du ein Auge auf einen Kerl beziehungsweise eine Frau geworfen hast, dann wirst du in seiner Gegenwart wahrscheinlich nicht furzen und rülpsen und die ältesten Klamotten anziehen.
Das ist alles was ganz anderes? Nein, ist es nicht!

Das ist alles genauso Beziehungsaufbau, wie du ihn zu deinem Leser pflegen solltest, vorausgesetzt, es liegt dir etwas an ihm. Und daran, deine Geschichten an Frau und Mann zu bringen.
Was sind solche Möglichkeiten, den Beziehungsaufbau zu beeinträchtigen? Hier ein paar davon:

  • Eine schlechte Geschichte.
  • Eine langweilige Geschichte.
  • Viele Fremdwörter, dass sich der Leser dumm vorkommt, wenn er ständig nachschlagen muss.
  • Lange Sätze, dass er ständig zurücksetzen muss, um zu verstehen, was eigentlich abgeht.
  • Viele Figuren, die nicht eingeführt sind verwirren ihn.
  • Szenen, bei denen er erst beim fünften Absatz dahinterkommt, wo er eigentlich gerade ist.
  • Rechtschreib- und Grammatikfehler.
  • Bevormundung.

Das sind nur ein paar der Störfaktoren, mit denen du problemlos Leser verjagen kannst. Von einigen dieser Punkte genügt ein einziger.

Mit diesem Kapitel möchte ich dich dazu bewegen, alle kommenden bitte unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, dass ich in keinem Fall unreflektierte Regeln weitergebe, sondern es immer um meistens seit Jahrtausenden erprobte Mechanismen geht, die in jeder Art der Kommunikation funktionieren. Und Geschichtenschreiben – Geschichtenlesen ist, genau betrachtet, pure Kommunikation, gleich hinter der persönlichen.